Kapitel 17

Immer noch keuchend und schweißgebadet schwebte Abby langsam auf den Boden der Tatsachen zurück.

»Wow«, keuchte sie.

Sex mit Dante war wie ein Marathonlauf. Nur machte er wesentlich mehr Spaß.

Dante rollte sich auf die Seite und nahm sie in die Arme. »Wow, in der Tat.«

Abby presste ihre Lippen auf seine Brust, wobei sie geistesabwesend bemerkte, dass seine Haut kühl und trocken war. Sie hatte Angst, ihren Blick weiter nach oben schweifen zu lassen. Ohne Zweifel war sein Haar ebenfalls perfekt.

Verdammte Vampire.

Unvermittelt verzogen sich ihre Lippen zu einem Lächeln.

Ihr Vampir.

Sie schloss kurz die Augen und nahm die unvertrauten Gefühle in sich auf, die sich tief in ihr angesammelt hatten. Wie ein Flüstern in ihrem Hinterkopf konnte sie Dante spüren. Das kleine Glühen befriedigter Begierde. Die intensive Liebe, die durch jeden seiner Körperteile strömte. Und die Besorgnis, die an ihm nagte, dass er nicht in der Lage sein würde, sie zu beschützen.

Sie öffnete gewaltsam die Augen und stellte fest, dass Dante sie mit einem prüfenden Blick ansah.

»Ich hatte ja keine Ahnung.« Sie schüttelte leicht den Kopf. »Es ist so intensiv.«

»Wie fühlst du dich?«

»Unglaublich.« Sie sah, wie Dante sein erotisches Piratenlächeln lächelte. Sein Sex-Appeal wurde merkwürdigerweise durch die voll ausgefahrenen Vampirzähne sogar noch gesteigert. Plötzlich nahm ihr Gesicht einen entsetzten Ausdruck an.

Er schloss seine Arme noch fester um sie. »Was ist denn los?«

»Ich werde mich nicht in eine Vampirin verwandeln, oder?«

»Nein.« Er küsste sie auf ihre Locken. Glücklicherweise war er nicht beleidigt. »Jemanden zu verwandeln ist wesentlich komplizierter. Und es wäre auch gar nicht möglich, solange du der Kelch bist. Der Phönix würde alles Nötige tun, um sich selbst zu schützen.«

Beruhigt, dass sie sich vorerst nicht in etwas anderes Unmenschliches verwandeln würde, schmiegte sie sich noch enger an Dantes Körper.

»Ich wünschte, wir könnten einfach hierbleiben.«

»Und uns vor der Welt verstecken?«

»Wenigstens einen ausgedehnten Urlaub machen.« Sie zog den Kopf ein Stück zurück, um Dante anzusehen. »Ich finde, wir verdienen ein paar Tage Freizeit, meinst du nicht?«

Er sah sie mit einem Anflug von Bedauern an. »Ich kann mir nichts vorstellen, was mir mehr gefallen würde.«

»Aber?«

Er blinzelte. »Woher wusstest du, dass es ein Aber geben würde?«

Abby seufzte. »In meiner Welt gibt es immer ein Aber.«

»Du bist manchmal eine sehr seltsame Frau, Liebste.«

»Ich dachte, ich wäre wunderschön und mutig und ungeheuer sexy?«

»All das«, stimmte er schnell zu, wobei ein kleines Lächeln seine Lippen umspielte, »und gelegentlich auch seltsam.«

»Das hat ja etwas ziemlich Merkwürdiges, wenn es aus dem Mund eines Vampirs kommt.«

Er beugte sich zu ihr herunter, um ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen zu geben. Er war zu kurz.

»So sehr ich es auch hasse, es zuzugeben, wir dürfen nicht länger bleiben.«

Sie wollte das nicht hören. Nicht, wenn sie sich warm und geborgen fühlte und, was das Beste war, sicher.

»Wir müssen jetzt gehen?«

»Es ist zu riskant, zu lange zu bleiben. Wenn das Haus überwacht wird, dann könnten wir uns von der Art von Bösewichtern umringt wiederfinden, denen niemand in einer dunklen Nacht begegnen möchte.«

»Sie könnten hier nicht reinkommen, oder?«

Er zuckte eine Schulter. »Wahrscheinlich nicht, aber irgendwann müssen wir schließlich doch gehen.«

Dante rollte sich vom Bett herunter, und bevor Abby auch nur Gelegenheit hatte, den Anblick seines harten Alabasterkörpers zu genießen, war er makellos gekleidet und sah einfach zum Anbeißen aus.

Zum Teufel. Das fing allmählich an, sich zu einem verdammt wunden Punkt bei ihr zu entwickeln.

»Wenn wir hier in Sicherheit sind, warum müssen wir dann gehen?«, fragte sie.

Er zog eine Augenbraue in die Höhe.

»Du möchtest nicht in einem Raum mit einem hungrigen Vampir eingesperrt sein, Liebste. Obwohl ich kein Menschenblut trinken kann, zweifle ich nicht daran, dass ich möglicherweise etwas gereizt werde. Außerdem bezweifle ich, dass die Hexen so aufmerksam sein werden, vor unserer Tür zu erscheinen.«

Abby seufzte, setzte sich auf und strich sich die verhedderten Locken aus dem Gesicht. »Schön, sag du ruhig weiterhin vernünftige Dinge. Aber wenigstens kannst du mir die Klamotten geben, die du mir vom Leib gerissen hast.«

»Dein Wunsch ist mir Befehl.« Mit einer schwungvollen Verneigung beugte er sich nach vorn, um die Kleidungsstücke aufzuheben, die überall auf dem Fußboden verstreut lagen.

»Ist das nicht ohnehin, was ein dienstbarer Geist...« Abbys neckische Worte verstummten, als sie sah, wie Dantes Körper sich anspannte, als er die Kleidung aufhob. Mit einem eigenartigen Gesichtsausdruck drückte er ihr T-Shirt gegen seine Nase. »Dante? Schnüffelst du an meinem T-Shirt?«

In seinen Augen tauchte ein gefährliches Glühen auf.

»Es riecht nach Dämon.«

Abby versteifte sich. Hatte er gerade gesagt, dass sie wie ein Dämon roch?

Sie hatte wahrscheinlich schon schlimmere Beleidigungen ertragen müssen, aber im Augenblick fiel ihr keine ein.

»Wie bitte?«

Er roch noch einmal intensiv daran. »Ich erkenne die Art nicht, aber du warst definitiv in der Nähe eines Dämons.«

Oh. Nun ja, das war besser.

Wenigstens geringfügig.

»Ja, ich war in der Nähe eines Dämons.« Sie sah ihn scharf an. »So nah, wie ich nur konnte. Erinnerst du dich nicht? Ich weiß, dass du alt bist, aber daran solltest du dich schon erinnern.«

Dantes Miene blieb verschlossen. Hart. »Ein Dämon, kein Vampir.«

Sein Blut wurde in ihrem Körper in Wallung versetzt. Sie konnte mühelos Dantes unerbittliche Konzentration spüren. Ein Raubtier, das jemandem auf der Fährte war.

»Das ist unmöglich«, erwiderte sie. Sie würde es wohl wissen, wenn irgendein Dämon sich an ihrem T-Shirt gerieben hätte. Das war doch nichts, was eine normale Frau... »Oh.«

»Was?«

Abby schlug sich mit der Handfläche vor die Stirn. Sie verlor wohl den Verstand.

»Da war diese seltsame Frau, die mich bei meinem Zauberspruch unterbrochen hat«, gestand sie.

»Oben?«

»Ja.«

Sie erzitterte, als Dantes Blut vor Wut zu kochen begann. »Wie sah sie aus?«

Abby strengte sich an, um sich zu erinnern. Sie war zu dieser Zeit ziemlich beschäftigt gewesen.

»Größtenteils menschlich, obwohl sie wesentlich anmutiger war als ein Mensch. Und sie war unglaublich stark.«

»Sie hatte den Körper einer Sterblichen?«

»Ja. Sie war eine schöne Frau. Mit dunklen Haaren und den unglaublichsten goldenen Augen. Oh, und ihre Haut glänzte auf ganz merkwürdige Art bronzefarben.«

Er riss die Augen auf, während er sich das T-Shirt noch einmal an die Nase hielt. »Eine Shalott-Dämonin? Ich dachte, sie seien ganz aus dieser Welt geflohen. Hat sie dich angegriffen?«

»Ja... nein.«

Er durchbohrte sie mit einem scharfen Blick. »Abby?«

Sie zuckte hilflos mit den Achseln. »Ich glaube, sie versuchte nur, den Zauber zu stoppen. Sie hätte mich töten können, während du ohnmächtig warst, aber sie rannte weg. Sie sagte, jemand würde sie rufen.«

»Verdammt.«

»Was ist los?« Abby rutschte an den Rand des Bettes. »Ist sie gefährlich?«

»Ich weiß es nicht, und das macht mich ja gerade so wahnsinnig. Wir müssen hier sofort verschwinden.«

»Wohin gehen wir?«

»Ich muss feststellen, ob ich die Spur der Shalott aufnehmen kann. Als sie noch in dieser Welt lebten, waren sie Mörder. Wenn wir ihre Spur bis hin zu ihrem Auftraggeber zurückverfolgen können, können wir vielleicht herausfinden, was sie hier gemacht hat.«

Seine Stimme hatte einen scharfen Ton angenommen. Ein untrügliches Zeichen für sein Jagdfieber.

»Mörderin?«, fragte Abby.

»Sehr erfolgreiche Mörder. Wenn einer von uns ihr Ziel gewesen wäre, dann befänden wir uns jetzt nicht hier.«

»Scheiße.« Nahm es mit den Gruselmonstern, die die Nacht durchstreiften, auch irgendwann mal ein Ende? »Dante.«

»Ja?«

Sie biss sich auf die Lippe. Wenn diese Mörderin so tödlich war, dann hatte sie absolut keine Lust, sie zu verfolgen. »Spielt es eine Rolle, warum sie hier war? Sie kann doch keine Verbindung zu den Hexen haben.«

»Doch, es gibt eine Verbindung.«

»Woher weißt du das?«

»Sie steht unter einem Bann.«

»Das kannst du riechen?«

»Ich kann Angst riechen. Und eine Shalott-Dämonin fürchtet nichts außer Magie.«

Verdammt. Er war gut. »Es könnte dieser grauenhafte Magier sein.«

»Wir wären jetzt tot, wenn er es wäre.«

Es folgte düsteres Schweigen, und Abby zwang sich zu schlucken. Dante hatte recht. Der psychopathische Zauberer hätte sie über einem Feuer rösten lassen oder sie längst ins Grab gebracht.

»Wahrscheinlich.«

Dante ging auf sie zu, um ihr die Kleider in die zögernden Hände zu drücken. »Es ist der einzige Hinweis, den wir im Augenblick haben, Liebste. Ich glaube, wir sollten ihm folgen.«

»Okay.«

Sie wusste, dass sie gereizt klang, aber sie konnte es nicht ändern, als sie ihre Kleidung anzog und ihr Haar zurückstrich. Ihre Vorstellung von Aufregung bestand darin, sich einen Film auszuleihen und eine Schüssel Popcorn zu essen. Keine Gladiatorensitzung mit einem Rudel Dämonen.

Dante, der stumm daraufwartete, dass Abby sich von ihrem Anfall von Selbstmitleid erholte, trat zu ihr, um ihr ihre Waffe zu geben.

»Vergiss den Dolch nicht.«

»Verdammt.« Sie seufzte leicht auf. »Ich hätte ihn schon früher benutzen sollen. Ich erweise mich ja als eine tolle Retterin der Welt.«

Plötzlich befand sie sich in Dantes Armen, und er rieb seine Wange an ihrer.

»Nicht, Abby. Es gibt keinen anderen Menschen, der nach dem, was du erlebt hast, noch am Leben wäre.«

Das stimmte natürlich nicht. Aber es gab ihr trotzdem ein besseres Gefühl.

Sie legte ihren Kopf auf seine Brust. »Ich verstehe nicht, wie mir das passieren konnte. Ich bin doch keine Dämonenjägerin. Verdammt, ich wusste nicht mal, dass es überhaupt Dämonen gibt.« Ihre Lippen kräuselten sich. »Außer wenn man meinen Vater mitzählt.«

»Vielleicht war es Schicksal«, murmelte er.

»Dann nervt das Schicksal.«

Ein leises Lachen entrang sich seiner Kehle, als er ein Stück zurückwich, um sie mit einem forschenden Blick anzusehen.

»Bist du bereit?«

»Nein.«

Er zog an ihrem Haar. »Wir sollten gehen.«

Dantes Verlangen danach, sein friedvolles Versteck zu verlassen, war noch geringer als Abbys.

Was konnte ein Vampir sich mehr wünschen?

Die Frau, die er zu seiner Gefährtin erwählt hatte. Ein großes, bequemes Bett. Kein Telefon, keine Nachbarn, keine Verwandten.

Satellitenradio, so dass er nie ein Spiel der Chicago Cubs verpassen würde. Es war der Himmel auf Erden. Unglücklicherweise gab es da nur noch immer Horden von Dämonen, Magiern und Zombies, die nur auf die richtige Gelegenheit warteten, um sie in die Enge zu treiben. Er nahm Abbys Hand und führte sie zur Tür. Dann hielt er inne, berührte das Schloss und sprach mit leiser Stimme einige Worte. Leise glitt die Tür auf, und er machte einen Schritt nach vorn.

Sofort wurde ihm bewusst, dass irgendetwas nicht stimmte. »Warte«, flüsterte er. Abby erstarrte instinktiv. »Ist da draußen irgendwas?« Dante sog witternd die Luft ein. Es befanden sich Menschen in der Nähe, mindestens vier. Und einer von ihnen war ihm sehr vertraut. »Der Magier ist hier. Oben.« »Verdammt.« Er hörte, wie sie tief Luft holte. »Warten wir hier?« Er zögerte keine Sekunde. »Nein. Der Magier hat es geschafft, zur Macht des dunklen Herrschers vorzustoßen. Mit der Zeit wird er imstande sein, dieses Versteck zu entdecken.«

Abby wurde bleich. Trüge sie nicht den Phönix in sich, hätte Dante ihre schlimmen Erinnerungen an den Magier und sein Rudel Zombies ausradieren können. Vorerst jedoch war das noch eine weitere Last, die sie tragen musste.

»DieTür...« »Wir können es nicht zulassen, dass sie uns in die Falle locken.« »Dann versuchen wir wegzulaufen?« »Ich glaube, eine List würde uns im Augenblick besser helfen.« Abby riss die Augen auf. Sie dachte, er habe den Verstand

verloren.

Und vielleicht hatte sie recht.

»Du willst dich an ihnen vorbeischleichen?«

»Ja.«

»Toll.«

»Vertraue mir.«

Sie knurrte leise. »Eines Tages.«

»Hier entlang.« Er schloss seine Hand fester um ihre Finger und führte sie aus dem Zimmer. Stumm liefen sie auf den hinteren Teil des Kellergeschosses zu.

Als er die Wand erreicht hatte, beugte sich Dante nach unten, um das Gitter zu entfernen, das seinen Geheimgang verbarg.

Kein Vampir, der sein Geld wert war, besaß keinen Geheimgang.

Abby keuchte neben ihm leise auf. »Ein Tunnel?«

»Er fuhrt dich auf die andere Seite der Tore«, erklärte Dante, wobei er den Blick nicht von ihr abwandte. »Geh zwei Blocks nach Norden, und warte an der Ecke hinter der großen Eiche. Kannst du dir das merken?«

Es dauerte einen Moment, bis sie begriffen hatte, was er ihr damit sagen wollte. »Nein, Dante. Ich verlasse dich nicht.«

»Wenn ich keine falsche Spur lege, dann werden sie uns zu fassen bekommen, bevor wir in Sicherheit sind. Außerdem muss ich wissen, in welche Richtung die Shalott-Dämonin verschwunden ist, als sie das Gelände verlassen hat.«

Abby griff nach Dantes Arm. Er zuckte zusammen, als er die Hitze ihrer Finger spürte, die sich durch sein Hemd brannte.

Der Phönix würde auf ihre Emotionen reagieren, bis sie lernte, ihre Kräfte zu kontrollieren.

»Du kannst nicht...«

Sanft löste er ihre Hand und hob ihre Finger an seine Lippen. »Du darfst keine Angst haben, Liebste. Ich bin viel zu schnell, als dass sie mir etwas antun könnten.«

Er verspürte nicht das Bedürfnis zu erklären, dass er die Absicht hatte, dem entnervenden Magier entgegenzutreten und seiner Einmischung ein Ende zu bereiten. Volle Offenlegung war etwas für Anwälte, nicht für Vampire.

Nicht, dass die meisten Leute dachten, dass es einen besonders großen Unterschied zwischen beiden gab.

Ein Blutsauger ähnelte dem anderen stark.

»Und was, wenn sie irgendeine magische Falle aufgestellt haben?«

Dante sah sie an. »Ich bin nicht völlig hilflos. Dies hier war früher einmal mein Zuhause. Ich verfüge über einige eigene Fallen.«

»Dante.«

Er küsste ihre Handfläche und trat dann einen Schritt zurück. »Wir werden darüber nicht streiten.«

Abby runzelte die Stirn über seinen strengen Tonfall. »Du erteilst viel zu gerne Befehle, Vampir.«

»Und du ignorierst sie viel zu gerne, Kelch.« Er hielt ihren Blick einen Moment lang fest. »Du musst das für mich tun.«

»Es gefällt mir nicht.«

»Ja, das habe ich durchaus verstanden.« Dante beugte sich zum Tunneleingang hinunter und sah zu, wie sie sich widerstrebend hinkauerte und die Dunkelheit betrat. Er drückte ihr das Mobiltelefon, das er aus seiner Hosentasche gezogen hatte, in die Hand. »Du darfst den Tunnel nicht verlassen, wenn du spürst, dass jemand in der Nähe ist. Wenn du Viper unter der entsprechenden Kurzwahlnummer anrufst, kommt er zu dir.«

Abbys Augen glitzerten frustriert. »Wehe, du lässt es zu, dass dir was passiert, sonst...«

»Wirst du mich an einer unangenehmen Stelle pfählen?«, beendete er ihren Satz.

»Genau.«

Dante gab Abby einen innigen Kuss. »Ich werde sehr vorsichtig sein.«